Dein Artikel beim Kollektiv
Wir vom “The Women All Ride” – Kollektiv wollen die Fahrradwelt in all ihrer Vielfalt abbilden. Daher haben wir nicht nur die Kategorie: ALL RIDE WITH… initiiert, sondern möchten auch Gastbeiträge und Erfahrungen unserer Leser:innen teilen. Die Themen sind dabei so abwechslungsreich und unterschiedlich wie unsere Community selbst. Von der persönlichen Herausforderung, über soziales Engagement bis hin zu weiterbildenden und gesundheitlichen Themen rund ums Radfahren – dein Artikel beim Kollektiv zeigt die Diversität und Vielfältigkeit der radfahrenden Menschen!
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Radfahren in der Schwangerschaft - die ersten Monate
Lena ist eine leidenschaftliche Radfahrerin.
Während ihrer Schwangerschaft wollte sie auf ihr geliebtes Hobby nicht verzichten und hat sich umfassend informiert und einen für sie selbst passenden Weg gefunden, aktiv zu bleiben. Diesen möchte sie teilen, da Informationen zu dem Thema nur selten zusammenhängend zu finden sind sondern mühsamer Recherche bedürfen. Eine kleine Artikelserie soll anderen schwangeren Menschen helfen, ihren Weg zu finden!
In diesem Artikel dreht sich alles um das Radfahren in den ersten Monaten der Schwangerschaft.
Inhalt
Die Ausgangssituation
Zuallererst möchte ich betonen, dass das hier meine subjektiven Erfahrungen sind, die ich mit euch teilen möchte, um der ein oder anderen zu helfen sich im Informationsdschungel zurechtzufinden. Ihr solltet wirklich stets und immer auf Hebamme und Ärzt:innen hören und euch lieber einmal mehr versichern, ob der gewählte Weg und Sport der Richtige für euch in eurer Schwangerschaft ist, um weder euch noch dem ungeborenen Kind zu schaden.
Ich fand es unglaublich schwer, brauchbare Informationen zum Thema (Leistungs-)Sport in der Schwangerschaft zu finden. Überall gibt es nur das übliche Geplänkel „Sport ist wichtig“, „Radfahren ist ein toller Sport in der Schwangerschaft“ aber eben um keinen Preis Ausdauersport und bloß nicht auf einen Puls über 150 bpm kommen! Im nächsten Atemzug findet man direkt die Risiken, die mit vermeintlicher Überbelastung einhergehen.
Ich musste mich auf so vielen verschiedenen Seiten belesen, Erfahrungsberichte durchstöbern, Instagram Accounts suchen, um letztendlich ein für mich sicheres Gefühl zu bekommen. Das möchte ich gern anderen Schwangeren ersparen, indem ich einen kleinen Überblick über meine Erkenntnisse gebe.
Ich wurde Mitte Dezember 2020 schwanger. Der zweite Lockdown hatte gerade begonnen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag bin ich von einer Rennradtour eher abgedreht und zur Apotheke gefahren. Ich fühlte mich absolut nicht fit und hatte da so eine Vorahnung, die sich letztendlich bestätigt hat. Seit diesem Zeitpunkt hat sich wirklich einiges verändert und nun schreibe ich diesen Artikel in der 26. SSW (7. Monat). Durch die aktuellen Gesetze in Sachsen, wurde ich übrigens sofort ins Home Office geschickt, was einem Beschäftigungsverbot aber sehr gleich kommt. Ich bekomme von meinem Umfeld und der Familie viel Unterstützung und offene Ohren, doch den wichtigsten Support bekomme ich tatsächlich von meinem Partner. Dafür bin ich sehr dankbar.
Die erste Zeit der Schwangerschaft
Unterstützung durch meine Frauenärztin und Hebammen
Der erste Schritt war natürlich der Anruf bei meiner Frauenärztin. Ich hatte großes Glück, dass diese trotz des frühen Stadiums der Schwangerschaft direkt einen Termin im neuen Jahr für mich hatte. Sie war auch dem Thema Sport gegenüber sehr aufgeschlossen. Ich erklärte ihr, dass ich in der Freizeit Rennrad und Crosser fahre und sie sagte ich solle alles genauso weitermachen wie zuvor auch. Tatsächlich ist der eigene Körper die beste Rückmeldestelle, die man sich vorstellen kann aber dazu komme ich noch.
Als die Schwangerschaft von ihr bestätigt wurde, habe ich mich direkt an eine Bekannte gewandt, die Hebamme ist. Was das angeht, habe ich wirklich großes Glück! Sie bekräftigte mich ebenfalls, den Sport weiterzuführen, den ich bereits mache. Dazu zählte auch Yoga. Überlegt euch auf jeden Fall eine Hebamme zu suchen, das ist in vielen Bereichen sehr viel wert.
Mein Sport in der Schwangerschaft
Schwangerschaftswoche 1-13
Mir ging es bis Mitte Januar (7./8. SSW) ganz gut. Soweit das Wetter es zuließ, war ich mit dem Rad auf der Straße und im Gelände unterwegs und habe täglich Yoga gemacht. Allerdings zwangen mich starke Schmerzen im Handgelenk, ausgelöst durch eine Entzündung, beides erstmal auszusetzen und da ging es auch schon mit der Übelkeit los. Ich war zu nichts mehr zu gebrauchen, mir war dauerhaft übel, war trotzdem ständig hungrig, habe aber nichts in mich rein bekommen. Ich hatte großen Ekel vor fast allen Lebensmitteln, jedoch ganz schlimm vor Kaffee und Tofu (ich ernähre mich vegetarisch). Mir war nach zwei Wochen zum Heulen zu Mute und so saß ich mit Tränen vor meinen Nudeln ohne Soße und schaute in die genauso hilflosen Augen meines Freundes. In der Zeit nahm ich auch erstmal ab. An Sport war absolut nicht zu denken. Ich lag den größten Teil des Tages auf dem Sofa rum.
Schwangerschaftswoche 14 - 20
Nachdem die Übelkeit fast pünktlich nach der 13. SSW so gut wie vorbei war, kam die Antriebslosigkeit und auch die Müdigkeit blieb weiterhin hartnäckig. An guten Tagen ging ich spazieren, manchmal saß ich auf dem Rollentrainer. Mit den längeren Tagen wurde ich auch so langsam wieder aktiver und fuhr am liebsten entspannte Graveltouren um die 30 bis 40 Kilometer.
Mein Bauch begann ab der 14. SSW allmählich zu wachsen, zumindest für mich sichtbar, für andere weniger. Anfangs hatte das noch keine großen Auswirkungen auf das Radfahren, aber so langsam begannen die Bibs zu spannen und zu drücken. Man merkt relativ zeitig, dass da was ist. Irgendwo las ich einen Vergleich mit einem kleinen Wasserballon, der unter der Bauchdecke liegt und fand ihn ganz passend.
Schwangerschaftswoche 21 - 28
In der 21. SSW wurde beim Organscreening festgestellt, dass meine Plazenta noch etwas zu klein ist. Das bedeutete ich solle zwar weiterhin unbedingt Sport machen, jedoch keinen Ausdauersport. Somit habe ich das Radfahren im Freien für mich ausgesetzt. Ich fahre ab und an entspannt, mit wenig Watt auf dem Rollentrainer, gehe weiterhin viel zu Fuß und habe auf die Schwangerschaft abgestimmte Workouts mit eigenem Körpergewicht und teils mit Gewichten und Bändern begonnen.
Ich habe ein paar Jahre lang Kraftsport betrieben und fand deshalb die Workouts von Patricia Kraft (auch auf YouTube) sehr ansprechend. Sie ist/war selbst gerade schwanger und deshalb war es für mich sehr wertvoll zu sehen, was sie in welchem Monat noch macht/machen kann. Der Kontrollultraschall fand nun statt und ich darf leider nur flach an der Elbe umherrollen. Die Plazenta ist nicht optimal durchblutet und der Arzt empfiehlt seichte Belastung aber auf jeden Fall weiterhin Sport. Der Sommer ist da und die Schwimmbäder wieder offen, also wird es wohl öfter mal zum Schwimmen gehen.
Meine Tipps für Sport und Bewegung in der Schwangerschaft
1. Klärt alles mit der Gynäkologin/dem Gynäkologen ab
2. Setzt euch mit der Anatomie und den Abläufen in euch auseinander
Ein unendliches Zusammenspiel von Hormonen und Prozessen läuft seit dem Tag der Befruchtung. Wie im Zyklus, kommt den Hormonen eine besonders wichtige Rolle zu. Lernt mit ihnen zu arbeiten und nicht gegen sie. Das Gleiche gilt auch für das sich verändernde Innere und Äußere eures Körpers.
Ich kann nur ans Herz legen euch mit den grundlegenden anatomischen Dingen zu beschäftigen, die gerade in euch ablaufen. Erst dann versteht man sich und die Signale besser, die der Körper sendet. Erst dann wird einem bewusst, was für eine unglaubliche Leistung das ist, die euer Körper da gerade vollbringt! Ihr baut gerade einen kleinen Menschen!
3. Hört auf euren Körper
4. Der Leistungsgedanke
5. Behaltet euren Puls im Auge
Anmerkung: Im TOUR Magazin rät Dr. Maja Heinrigs “Wer sich beim Sport noch unterhalten kann, trainiert als Schwangere im richtigen Bereich”. Dies stützt auch Lenas Tipp, auf den eigenen Körper zu hören!
6. Planung ist alles
Schaut euch eure Routen vorher an. Wie viele Höhenmeter, wie lang, gibt es die Möglichkeit, abzukürzen? Wenn ihr allein unterwegs seid, fahrt nicht durch totales Niemandsland, falls es euch unterwegs nicht gut gehen sollte. Packt den Mutterpass ein. Dort stehen all eure gesundheitlichen Daten zur Schwangerschaft drin, die im Notfall wichtig sein könnten.
7. Never not snacking
Das Thema spielt auch im Normalzustand eine wichtige Rolle, in der Schwangerschaft noch viel mehr. Packt euch unbedingt ein oder zwei Riegel ein, vielleicht sogar Traubenzucker oder Trockenobst. Man fällt tatsächlich schneller in ein Hungerloch, als gewohnt. Mein Rekord waren 12 Kilometer seichte Feldwege und dann brauchte ich wirklich dringend etwas! Ebenso sollte ausreichend Wasser getrunken werden. Das gilt übrigens nicht nur für das Radfahren, sondern auch beim Spazieren. Besonders in der Zeit der Übelkeit und des Unwohlseins. Ich hatte bis zum 5. Monat immer einen Riegel mit dabei.
8. Anpassen des Fahrrads
9. Auch Spandex hat seine Grenzen
Bis zum 3./4. Monat kam ich mit meinen Bibs von Rapha noch ganz gut zurecht. Seit dem 5. Monat ging nur noch die Rapha Cargo Bib für Frauen (die passt auch jetzt noch im 7., wird aber langsam etwas eng). Ich trage die Hosen und Trikots von Rapha in Größe S, die Cargo Bib in Größe M bei einer Körpergröße von 165 cm und einem Ausgangsgewicht von 58 kg (mittlerweile sind es 65 kg). Einige Trikots fallen vom Schnitt größer und flexibler aus, sodass ich sie bis vor kurzem noch tragen konnte. Für hoffentlich kommende Touren werden es einfache, weite Shirts werden, die mein Kleiderschrank (oder der meines Freundes) so hergeben.
Eine absolut großartige Sache kann ich aber jetzt schon ans Herz legen! Veloine hat im Mai eine Radhose für Schwangere auf den Markt gebracht. Letzte Woche erst bekam ich sie mit der Post und war schon beim Anprobieren begeistert. Sie ist super weich und bequem, fühlt sich toll an und schmiegt sich um den nun ziemlich runden Bauch, ohne einzuengen. Es gibt auch ein passendes Trikot dazu, was ich mir allerdings nicht bestellt habe. Bevor ihr also wie ich mit dem Gedanken spielt euch durch verschiedene Größen und verschiedene Marken zu probieren, probiert unbedingt die Hose von Veloine!
10. Sucht Alternativen
Eine Schwangerschaft ist nicht immer schön. An Sport ist manchmal nicht zu denken, besonders nicht an Radfahren. Ich kann euch nur empfehlen euch Alternativen zu suchen, damit euch die Decke nicht auf den Kopf fällt. Ein Buch, Serien, Nähen, Basteln, irgendwas planen, eine Sprache, mistet aus, Meditation, Yoga, sucht euch vielleicht Inspiration über Blogs oder Instagram.
Das Wichtigste zum Schluss:
- Hört auf Ärzt:innen und Hebammen.
- Lasst euch von niemandem reinreden oder verunsichern.
- Baut euch ein kleines Netzwerk auf und tauscht euch aus (Freunde mit Kindern, Mitschwangere, Instagram…).
- Macht das, was euch gut tut!
Wie es in den letzten Monaten der Schwangerschaft weitergehen wird und was die Hose von Veloine wirklich kann, werdet ihr in der Fortsetzung erfahren.
Literaturtipp
Einen wirklich gut recherchierten und wissenschaftlich fundierten Überblick bietet diese Seite der Deutschen Sporthochschule Köln. Hier kann man sich über alle möglichen Themen und Sportarten informieren und bekommt ein erstes Gefühl davon, was noch möglich ist und auf was man besser verzichten sollte.
Text: Lena Wilhelm
Lektorat: Sandra Schuberth
Edit & Layout: Sandra Schuberth
Header-Foto: Paul Müller
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