Wir vom “The Women All Ride” – Kollektiv wollen die Fahrradwelt in all ihrer Vielfalt abbilden. Daher haben wir nicht nur die Kategorie: ALL RIDE WITH… initiiert, sondern möchten auch Gastbeiträge und Erfahrungen unserer Leser:innen teilen. Die Themen sind dabei so abwechslungsreich und unterschiedlich wie unsere Community selbst. Von der persönlichen Herausforderung, über soziales Engagement bis hin zu weiterbildenden und gesundheitlichen Themen rund ums Radfahren – dein Artikel beim Kollektiv zeigt die Diversität und Vielfältigkeit der radfahrenden Menschen!
Du hast auch eine tolle Artikelidee? Dann schreibe uns eine Nachricht! Wir freuen uns über Vorschläge!
Radfahren in der Schwangerschaft – Die letzten Monate
Lena (28) aus Dresden schreibt in einer kleinen Artikelserie über ihre Erfahrungen mit dem Radfahren in der Schwangerschaft. Im ersten Teil beschrieb sie ihre Erfahrungen aus den ersten Monate ihrer Schwangerschaft. Jetzt, im zweiten Teil, dreht sich alles um die letzten Monate ihrer Schwangerschaft, vom Wollen aber nicht so können wie man möchte und vom Mindset, das hilft, das so zu akzeptieren.
Eine kurzer Satz über dich
Eine Fahrt ist eine gute Fahrt, wenn du Kühe (wahlweise auch andere Tiere) gesehen hast!
Welches Rad fährst du am liebsten?
Ganz stimmungsabhängig liebäugel ich mal mehr mit dem Rennrad, mal mehr mit dem Crosser.
Wie bist du zum Radfahren gekommen und was bedeutet Radfahren für dich?
Das hatte ich in einem Beitrag bei Instagram mal ganz passend beschrieben. Zuerst ist mein Leben „gecrasht“ und kurz darauf „crashte“ ich mein Auto. Vom Geld des Verkaufs meines Schrottautos kaufte ich mir ein Cyclocross und verbrachte zunehmend mehr Zeit darauf. Auch wenn das pathetisch klingt, so hat es mir dabei geholfen zu mir selbst zu kommen, mich besser kennenzulernen. Eigentlich dachte ich, mit Mitte 20 wüsste ich, wer ich bin aber genau das Gegenteil war der Fall. Viele Stunden allein auf dem Rad, neue Wege, neue Gegenden, den Kopf freipusten, an seine Grenzen gehen, auf seinen Körper hören und vor allem Glücksmomente machten das Radfahren seitdem unentbehrlich.
Ein Rückblick auf die ersten Monate meiner Schwangerschaft
Zuallererst möchte ich auch in diesem Beitrag betonen, dass das hier meine subjektiven Erfahrungen sind, die ich mit euch teilen möchte, um der ein oder anderen schwangeren Person zu helfen sich in dieser absolut neuen Lebenssituation zurechtzufinden. Ihr solltet wirklich stets und immer auf Hebamme und Ärzt*innen hören und euch lieber einmal mehr versichern, ob der gewählte Weg und Sport der Richtige für euch in eurer Schwangerschaft ist, um weder euch noch dem ungeborenen Kind zu schaden. Manchmal ist vielleicht auch die*der Ärztin*Arzt oder Hebamme nicht passend, keine Scheu vor einer Zweitmeinung oder einem Wechsel!
Im ersten Artikel nahm ich euch mit auf die aufregende Reise vom Beginn meiner Schwangerschaft bis zum 7. Monat. Es ging um die gesamte Situation Sport, explizit Radfahren in der Schwangerschaft und grundlegende Informationen und Erfahrungen, die ich gesammelt habe. In dieser Fortsetzung schreibe ich von den letzten Schwangerschaftswochen, dem Mindset und natürlich gibt es wie angekündigt ein kleines Review zur Pregnancy Bib von Veloine.
Mein Sport- und Bewegungsprogramm in Schwangerschaftswoche 29 – 40 (8.-10. Monat)
Wie ich im ersten Artikel beschrieb, stellte mein Arzt in der 21. SSW fest, dass der Blutfluss zur Plazenta nicht optimal sei. Aus diesem Grund musste ich immer wieder zur Untersuchung, um auf Nummer sicher zu gehen, dass das Baby entsprechend wächst. Das alles verunsicherte mich natürlich sehr und ich wollte meinen Körper, bzw. den des Babys nicht mit Ausdauersport stressen. Gerade in den letzten Wochen wurde ohnehin vieles beschwerlicher und auch anstrengender. Verschiedenste Beschwerden ließen meine Komfortzone erheblich schrumpfen:
- Sodbrennen
- Der Bauch ist im Weg
- Kurzatmigkeit
- Hitzewallungen
- Ständiger Drang auf Toilette zu müssen.
Aber hey: es ist Sommer und gutes Wetter, ich habe frei, also raus!
Hilfe, ich muss pullern!
Am Ende meiner Schwangerschaft war ich im Freibad, an Seen und habe täglich Spaziergänge unternommen. Wenn mir danach war, habe ich kleine Workouts auf der Matte gemacht. Das Radfahren war zu diesem Zeitpunkt sehr unangenehm, da das Baby extrem auf die Blase drückte und ich das Gefühl hatte bei jeder Erschütterung einzupinkeln. Dieses Gefühl war beim Radfahren unterschwellig die gesamte Zeit vorhanden. Sobald ich aber stärker in die Pedale trat oder Erschütterungen kamen, musste ich mich sehr zusammenreißen und spannte den gesamten Beckenboden an. Das machte das Fahren sehr unentspannt, da ich mich so verkrampfte. Kennt ihr das Gefühl einer vollen Blase und dann drückt euch jemand auf den Bauch? – So in etwa war das.
Zusätzlich hatte ich oft mit Übungswehen zu tun. Der gesamte Bauch wurde sehr hart, alles zog sich zusammen und ließ mich kurz innehalten. Schmerzhaft war das nicht, trotzdem sehr unangenehm und stark. An manchen Tagen war es sehr häufig (mehr als 3x in der Stunde), sodass ich lieber die Füße hochgelegt habe.
Meine Radfahrten in den letzten Monaten der Schwangerschaft
Wenn mir danach war, unternahm ich wirklich kleine Radtouren um die 15-20km mit dem Crosser entlang der Elbe oder schnappte mir das Damenrad und fuhr zu Terminen, statt zu laufen.
Meine letzte wirkliche Fahrt unternahm ich im Schneckentempo mit einer Freundin an der Elbe entlang in der 37. SSW. Wir fuhren 12 km in 42 min und machten natürlich einen Kaffee-Stopp inklusive Kuchen! Bei dieser Tour ist übrigens das Beitragsbild entstanden 🙂
Bis zur Geburt Anfang September gab es von jetzt an nur noch Wandern und Spazieren für mich. Das hat mir vollkommen gereicht.
Hier zeigt sich wieder, wie unterschiedlich unsere Körper sind. Es gibt Schwangere, die noch bis kurz vor der Entbindung auf dem Rad sitzen und dann eben solche wie mich, die zwar sehr motiviert waren dies auch “zu schaffen” aber deren Körper andere Signale gab.
Hört in euch hinein, bevor ihr euch sportlich betätigt und stellt euch Fragen wie:
- Wie geht es mir heute (physisch und psychisch)?
- Was traue ich mir heut zu?
- Wie sind die Rahmenbedingungen (Wetter, Begleitung…)?
- Spricht heute irgendwas gegen Sport und wenn ja, suche ich mir einen Ausgleich oder ruhe ich mich komplett aus?
Vertraut eurem Gefühl und horcht in euch hinein!
Es geht rund in der Fahrradwelt – hier gibt’s weitere Erfahrungen mit dem Radfahren in der Schwangerschaft
Jede Schwangerschaft ist anders. Bei Lena war Vorsicht geboten und deshalb das Radfahren zum Teil nur eingeschränkt möglich. Carolyn saß 9 Tage vor ihrem Entbindungstermin noch auf ihrem Indoor-Setup. Auf ihrem Blog Cyclista.net lest ihr, wie sie radfahrend durch ihre Schwangerschaft kam.
Passend zum Thema hat Jule aus dem TWAR-Team direkt selbst ausprobiert, wie es ist, eine schwangere Radfahrerin zu sein. Auf radelmaedchen.de berichtet sie davon.
Während der Schwangerschaft ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen – Mindset
Für viele Schwangere ist die Schwangerschaft als solches das Schönste überhaupt. Sie genießen es, es geht ihnen blendend und die Vorfreude auf das Baby scheint unermesslich – und das ist wunderschön! Es gibt auch Menschen, denen geht es einfach nur schlecht während Teilen der Schwangerschaft oder sogar die ganze Zeit über, egal ob körperlich oder psychisch und auch das ist okay!
In unserer Gesellschaft wird Schwangerschaft und auch Mutterschaft als glückliche Zeit verkörpert, wie man in Medien sieht und hört und auch unter vielen Menschen wird diese Meinung vertreten. Wenn man diese positiven Gefühle mal nicht hat, fühlt man sich schlecht – schließlich muss man sich doch freuen, da ist kein Platz für solche Gedanken! Bitte scheut euch nicht, offen und ehrlich zu antworten, wenn euch jemand fragt wie es euch als Schwangere geht. Nur so kann das Thema ein Stück weit enttabuisiert werden.
Wie bereits in meinem ersten Artikel beschrieben, fällt es vor allem Personen, die vorher sehr aktiv waren, oft sehr schwer einen oder mehrere Gänge runterzuschalten. So auch mir. Der Körper kann ab einem bestimmten Punkt nicht mehr die Leistung erbringen, wie vorher und vor allem verändert er sich. Die Schwangerschaft anzunehmen müssen manche erst lernen. Dieser Prozess dauerte bei mir eigentlich bis zum Ende hin an. Fragte mich jemand, wie es mir geht und ob ich gern schwanger bin, dann antwortete ich ehrlich:
Ich war nicht gern schwanger, da es mir wirklich schwer fiel, diese Eingeschränktheit hinzunehmen. Vor allem zum Ende hin kamen auch immer mehr körperliche Beschwerden hinzu wie Mutterbandschmerzen, Symphysenschmerz, Hitzewallungen, dicke Füße und wenig Schlaf durch ständigen Harndrang.
An manchen Tagen gelang es mir gut, damit umzugehen und an anderen wiederum nicht, sodass meine Laune dann auch sehr im Keller war. Ich habe den Zustand akzeptiert, war aber auch froh, als er endete. Genau das ist es aber: ein Zustand, der nicht auf Dauer ist, sondern endet und ja, manchmal hilft es sich zu sagen “Man weiß, wofür man es macht”. Wichtig ist es trotzdem sich ein positives Mindset anzulegen und nicht zu sehr in negativen Gedanken zu versacken. Wenn ihr frustriert seid, weil ihr gern mehr Rad fahren möchtet oder die letzte Fahrt sehr ernüchternd war, erinnert euch daran, welche unglaubliche Leistung euer Körper da gerade vollbringt! Ihr trainiert sozusagen für einen Marathon! Hört euch doch dazu die Podcastfolge von “Die friedliche Geburt” an, die sehr passend ist (ich lege euch den Podcast sowieso sehr ans Herz).
Traut euch, offen über das Thema zu reden, denn das hilft anderen Schwangeren sehr, die vielleicht in der gleichen Situation sind und ähnlich fühlen!
Die Hose kaufte ich in Größe M bei einer Körpergröße von 1,65m, da ich nicht wusste, wo der Bauch noch hinwachsen würde. Im Nachhinein hätte ich die Hose in Größe S genommen, da ich nicht allzu viel zunahm.
Review: Veloine Pregnancy Cycling Short
Meine normalen Bib Shorts wurden mit dem wachsenden Bauch nun wirklich zu eng und unflexibel. Das schränkte mich ein und war unbequem. Deshalb bestellte ich mir die Veloine Pregnancy Bib Shorts. Als die Hose bei mir ankam, war ich ziemlich aufgeregt und euphorisch, da ich große Hoffnung auf mehr Komfort und Bewegungsfreiheit auf dem Rad hatte.
Der erste Eindruck der Hose war sehr positiv. Der Stoff ist super weich, angenehm auf der Haut und schmiegt sich an den Körper an. Die Nähte und das Polster sind gut verarbeitet und der sehr hohe Bund passte problemlos um den Babybauch. Es war auch noch genug Platz für weiteres Bauch-Wachstum. So war ich guter Dinge, den Bauch auch am Ende der Schwangerschaft noch bequem verpacken zu können. Die Bündchen an den Oberschenkeln sind sehr breit und rutschen durch die Silikonbeschichtung nicht. Alles in allem erfüllt die Hose genau das, was auf der Seite von Veloine versprochen wird.
Beim Radfahren empfand ich die Hose als sehr angenehm. Einzig das Polster hätte für meine Bedürfnisse etwas dicker sein können, das ist aber von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Was abschrecken könnte, ist der Preis von 150€. Da man die Hose ja nur ein paar Mal trägt, überlegt man sich vorher gut, ob man so viel Geld ausgeben möchte. Ich empfand die Investition als lohnenswert. Vielleicht finden sich auch mittlerweile Hosen bei Vinted oder anderen Second Hand Kleidertausch-Plattformen. So konnte ich auch meiner Pregnancy Bib zu einem zweiten Einsatz verhelfen.
Was ich aus meiner Schwangerschaft mitnehme und weitergeben möchte
Abschließend bleibt zu sagen: traut euch offen zu sein, agiert selbstbestimmt, holt euch verschiedene Meinungen ein. Es ist euer Körper und euer Leben, in das euch niemand reinreden sollte – es sei denn, es geht um gesundheitliche Aspekte aber auch dann nur von professionellen Stimmen wie Hebammen oder Ärzt*innen. Lasst euch von niemandem ein schlechtes Gewissen einreden, weil ihr in eurer Schwangerschaft vielleicht sportlicher und ambitionierter seid, als es die Gesellschaft erwartet. Wenn ich etwas während der Schwangerschaft und auch Geburt gelernt habe, dann wie unglaublich stark ein weiblicher Körper ist! Seid stolz auf euch und das, was ihr da gerade leistet!
Edgar kam übrigens Anfang September gesund zur Welt, nachdem die Geburt letztlich eingeleitet wurde. Wenn mich jemand fragt, wie denn die Geburt war, dann bleibt mir nur ein Wort: Krass!
Text: Lena Wilhelm
Lektorat: Sandra Schuberth
Layout & Edit: Sandra Schuberth
Beitragsbild: Fabian Thran