Ohne Kerosin nach Berlin (OKNB) heißt es für viele Menschen im August, wenn sie sich mit ihren Forderungen für eine Klimagerechte Welt aus allen Bundesländern Deutschlands auf den Weg Richtung Berlin machen.
Bei dem von Students for Future organisierten Protest, geht es für die Radfahrer*innen zuerst nach Leipzig zum Klimagerechtigkeitsfestival. Vom 26. bis 28. August können Gleichgesinnte dort bei Workshops, Aktionstrainings und Vorträgen aktiv werden. Danach geht es dann gemeinsam auf dem Rad weiter nach Berlin.
Im Vorfeld traf ich, Marie, mich mit OKNB-Fahrerin Katharina. Neben den Kernthemen Mobilitätswende, Agrarwende und Energiewende, geht es bei der Protesttour für Klimaschutz auch um das miteinander und füreinander da sein. Ein schöner Gedanke! Deshalb freue ich mich besonders, dass ihr das Gespräch zwischen Katharina und mir jetzt hier nachlesen könnt. Viel Spaß dabei!
Im Gespräch Mit Katharina Rothensee: "Fahrrad Fahren ist Freiheit"
Katharina Rothensee (sie / ihr) lebt in Göttingen.
Als transidente, queere Frau ist Radfahren für sie viel mehr als der alltägliche Weg von A nach B: Radfahren bedeutet Freiheit, heilen, aber auch Grenzen ausweiten. Seitdem Katharina 2018 das Auto abschaffte, ist das Rad das Verkehrsmittel ihrer Wahl. Wenn es aufgrund ihrer Schwerbehinderung nicht mit dem Diamant-Trekkingbike voran geht, nutzt Katharina ihr Liegerad. So konnte sie 2021 auch das erste mal bei Ohne Kerosin nach Berlin mitfahren; denn anderen bewusst zu machen, wie bedrohlich der Klimawandel ist, ist ihr ein besonderes Anliegen!

Marie: Hi Katharina, schön, dass du hier bist, herzlich Willkommen.
Wie kamst du denn zum Radfahren?
Katharina: Ich bin 47 Jahre alt und verbrachte meine Kindheit in Magdeburg, also in der DDR. Nach der Wende ging es direkt erstmal mit dem Rad nach Schweden. Dann war lange Zeit der Job und die Familie im Fokus, das Rad rückte erstmal in den Hintergrund.
2019 machte ich dann meine erste Bikepackingtour. 2020 fuhr ich die Grenzsteintrophy und 2021 dann das erste Mal von Hameln aus “Ohne Kerosin nach Berlin”, letztes Jahr noch mit dem Liegerad. Ich bin schwerbehindert und konnte die Strecke letztes Jahr nicht aufrecht fahrend bewältigen. Dieses Jahr fahre ich mit meinem Diamant Trekkingrad von Köln aus mit.


Inzwischen suche ich auch mehr Gemeinschaft. Wir hatten jetzt in Göttingen die erste FLINTA-Fahrradwerkstatt und ich habe eine FLINTA-Radgruppe initiiert. Das ist zwar noch sehr schleppend, aber ich bin da optimistisch, dass das durch mehr Kennenlernabende und die Selbsthilfewerkstatt vorangeht.
M: Wie bist du auf die Idee gekommen, Ohne Kerosin nach Berlin mitzufahren?
K: Das war letztes Jahr eigentlich ein Zufallsfund auf Instagram. Ich fand die Idee unheimlich cool. Ich hab dann überlegt, dass ich einfach mal mitfahre. Da ich letztes Jahr noch mehr Rückenprobleme hatte, musste ich mit dem Liegerad fahren. Ich hab das als unheimlich bereichernd empfunden – die Community, die Akzeptanz, die ich da erfahren habe. Dieses Jahr habe ich dann gesagt, dass ich nochmal mitfahre. Neu ist dieses Jahr, dass ich sogar das erste Mal mit im Orgateam bin.
M: Gibt es beim Orgateam verschiedene Stadtverantwortliche? Wie genau koordiniert ihr das?
K: Genau, in der großen Orga war ich nicht drin. Ich war speziell bei der Planung der Westroute dabei. Die geht von Köln nach Berlin. Dort habe ich vorrangig den Bereich rund um Göttingen geplant. Das betrifft zum einen Schlafplätze, aber auch die Versorgung: Wir versuchen so viel wie möglich über Foodsharing zu bekommen, damit es für alle Menschen finanzierbar ist und wir nicht zuviel Essen dazu kaufen müssen. So können auch Menschen mitfahren, die keine oder wenige finanzielle Mittel haben.
Die dritte Sache waren die Aktionen, die für Göttingen geplant wurden. Der Ablauf ist ziemlich bunt gestaltet: Dort haben wir zum Beispiel einen Vortrag zu Klimawandel aber auch thematisch zu zivilem Ungehorsam. Dann gibt es einen Vortrag zu Beziehungsmodellen und Gerechtigkeit in Beziehung, aber auch Siebdruck und natürlich eine Kundgebung.
Während der Fahrt bin ich noch im Awareness-Team und fahre sicher auch mal das Versorgungsfahrzeug, dass zum Beispiel das Essen von den Foodsharingstationen abholt

M: Ohne Kerosin nach Berlin ist ja eine politische Veranstaltung – würdest du sagen, es ist eine niedrigschwellige Veranstaltung?
K: Auf jeden Fall! Es fahren vorrangig Students mit, aber auch alle anderen Altersgruppen. Zum Beispiel auch Rentner*innen, ich bin ja auch berentet.
Es ist auf jeden Fall niedrigschwellig und politisch in dem Sinne, dass wir dieses Jahr die Schwerpunkte Verkehrswende, Agrarwende und Energiewende haben.
In Berlin fahren wir nacheinander die drei zuständigen Ministerien mit unseren Forderungen an.
M: Wie gestaltet sich der grobe Ablauf ab Leipzig?
K: Am 26.8. kommen wir erstmal in Leipzig an. Da geht dann das Klimagerechtigkeitsfestival los: am 27.8. mit Workshops, Aktionstrainings und natürlich auch Musik. Am 29.8. fahren dann alle, die sich in Leipzig getroffen haben, gemeinsam nach Berlin. In Berlin ist dann auch eine Fahrt über die Autobahn geplant.
Das hatten wir eigentlich auch für Thüringen geplant, um zum Beispiel Höhenmeter zu umgehen, aber das wurde nicht bewilligt.


M: Hast du das Gefühl, die Politik und die Bevölkerung nimmt die Aktion wohlwollend auf, auch wenn ihr durch die einzelnen Dörfer und Städte fahrt?
K: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal sind die Klimaaktiven Ortstruppen dankbar dafür, dass sie von uns Rückenwind erfahren. Gleichzeitg hast du aber auch Menschen in Autos, die uns beschimpfen, dass wir arbeiten gehen und nicht den Verkehr aufhalten sollen. Also ein komplettes Spektrum. Von Zuspruch bis Gegenwind.
M: Habt ihr als Demonstration die ganze Zeit Polizeibegleitung oder nur sporadisch?
K: Die komplette Strecke ist als Demo angemeldet. Das bedeutet, wir haben die komplette Zeit über Polizeibegleitung.
Als wir letztes Jahr von Niedersachsen nach Sachsen-Anhalt rüber gefahren sind, war die Polizei der Meinung, dass wir nur eine Fahrradtour sind, darum hatten sie uns keine Begleitung gegeben. Der Tag war eine Katastrophe. Mit 60 Leuten ohne Polizeischutz über Land- und Bundesstraßen zu fahren…
Wir haben dann mit unseren Anwält*innen gesprochen und hatten dann am nächsten Tag wieder komplett Polizeibegleitung. Das war so ein Ausnahmetag – wir hoffen, dass das dieses Jahr nicht noch mal passiert!
M: Du meintest gerade, ihr wart letztes Jahr 60 Leute, wird das dieses Jahr wieder so?
K: Wir merken, dass letztes Jahr Bundestagswahl und damit das Thema präsenter war. Dieses Jahr haben wir etwas weniger Anmeldungen als letztes Jahr.
M: Muss ich mich denn vorher anmelden oder kann ich spontan sagen: “Ich treffe euch in Hamm und fahre dann mit euch bis Leipzig mit?”
K: Für einzelne ist das sicher machbar. Wir haben aber Schlafplätze, bei denen wir vorher angeben, wie viele Menschen ungefähr kommen. Aktuell wäre das unproblematisch, aber eine Anmeldung ist schon besser für die Planbarkeit. Anmelden könnt ihr euch noch über Ohne Kerosin nach Berlin.

M: Letztes Jahr warst du mit dem Liegerad unterwegs – du bist schwerbehindert und für deinen Rücken war das die beste Lösung. Dieses Jahr wagst du dich an ein … (Einwurf von Katharina: “offizieller Begriff aus der Liegeradcommunity ist wohl Aufrechtfahrrad) … also du wagst dich an ein Aufrechtfahrrad?
K: Genau. Eigentlich hatte ich mir im Januar ein Gravelbike, mit Lieferdatum im Mai, bestellt. Das ist aber noch nicht da, Lieferdatum ist jetzt Oktober. Darum fahre ich mit meinem guten alten Diamant Trekkingrad.
M: Großartig! Also fühlst du dich auch körperlich bereit die Strecke zu fahren?
K: Ja! Ich hatte zwar auch Covid und merke, dass mir Anstiege schwerer fallen. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass ich alles schaffe – auch wenn wir dieses Jahr doppelt so viele Höhenmeter wie letztes Jahr haben. Die Etappen sind dafür kürzer, damit wir abends oder nachmittags noch Energie für Aktionen und Workshops haben.

M: Was sind deine abschließenden Worte zu Ohne Kerosin nach Berlin; worauf freust du dich besonders?
K: Ich freue mich am meisten auf die mitfahrenden Menschen. Das ist schon eine Bubble, die Rückkehr in die Realität wird dann wieder hart (lacht). Aber es ist eben einfach schön, drei Wochen mit Gleichgesinnten unterwegs zu sein.
Und für mich persönlich: Einen Safe Space zu haben, in dem ich, ich sein kann. Wir haben zum Beispiel nicht an jedem Ort sanitäre Einrichtungen. Aber auch wenn ich mich mal zwei Tage nicht rasieren kann, heißt es dann trotzdem nicht: “Du bist ja gar keine Frau”, sondern das ist in dem Kreis total anders.
Ansonsten hoffe ich natürlich, dass unsere Botschaften ankommen und wir mit vielen Menschen ins Gespräch kommen, viele Menschen auf den Zwischenstopps erreichen.
Klimakrise hat auch viel mit Gerechtigkeit auf dieser Welt zu tun. Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass die Welt gerechter werden muss!
M: Danke für das schöne Gespräch. Ich wünsche euch ein gutes Ankommen!
K: Vielen Dank, bis bald!
Die Fahrradprotesttour “Ohne Kerosin nach Berlin” ist aktuell auf verschiedenen Demorouten durch ganz Deutschland Richtung Leipzig unterwegs.
Dort findet vom 26.8. bis 28.8.2022 das Klimagerechtigkeitsfestival statt.
Danach geht es dann gemeinsam weiter: Ohne Kerosin nach Berlin!
Alle Infos zu Aktionen in eurer Nähe findet ihr unter: Ohne Kerosin nach Berlin und Leipzig für’s Klima