Dies ist ein Gastbeitrag von Leona Kringe. Schon in sehr jungen Jahren bekam sie die Diagnose einer vorzeitigen Menopause. Was das für sie bedeutet hat und wie sie damit umgeht, erzählt sie in diesem Beitrag.
Triggerwarnung – WICHTIG: Dies ist ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht, der offen und ehrlich das Thema Menopause beschreibt und auch über psychische Erkrankung und Magersucht spricht. Der Beitrag soll informieren und Erfahrungen teilen. Es gibt aber keine expliziten Handlungsempfehlungen oder ersetzt gar ärztlichen Rat. Falls ihr Symptome an euch erkennt oder es auch nicht gut geht, wendet euch bitte an eine:n Ärzt:in!

Über Leona
Leona ist ein rastloser Lebe- und Radelmensch, die ihre Abenteuer auf Instagram unter @Heimatnomadin, auf ihrem Blog heimatnomadin.com und in ihrem eigenen Podcast teilt.
Sie ist 31 Jahre alt, lebt in ihrer Wahlheimat Freiburg und ist Tierärztin. Außerdem ist sie Coach, Autorin und Yogalehrerin. Persönliche Weiterentwicklung, ein solidarisches Miteinander und voneinander Lernen, sowie das Teilen von ehrlichen, authentischen Erfahrungen liegen ihr am Herzen. Sie liebt die Langstrecke und das Bikepacking, die Alpen und den Schwarzwald.
Hallo Weltmenopausentag! Hallo, an einem Tag für ein Thema, das noch längst nicht den Status „Normal“ in unseren Köpfen erreicht hat. Der 18.Oktober ist ein Tag für ein Thema, das noch viel zu sehr von Scham behaftet ist. Ein Tag für ein Thema, das wir uns viel mehr anschauen sollten – nicht nur wir als Frauen, sondern wir, als ganze Gesellschaft – um endlich den Status von „Tabu“ zu brechen.
Und um genau dies zu tun, versuche ich heute, Dir mit meiner Geschichte einen natürlichen und offenen Zugang zu diesem sensiblen Thema zu schaffen. Ich erhoffe mir, dass es zukünftig „normaler“ wird und endlich viel mehr ankommen darf: in unseren Köpfen, unserem Verständnis, und auch unserer Akzeptanz.
Die Einzigartigkeit der weiblichen Menopause
Die Menopause der Frau – sie ist ebenso einzigartig wie natürlich. Es lohnt sich, zu verstehen, wie speziell diese besondere Gabe der Evolution an uns Frauen eigentlich ist.
Denn oftmals wird die Menopause leider schlicht als das Ende des weiblichen Zyklus und somit dem Ende der weiblichen Reproduktionsfähigkeit verstanden. Wer an die Menopause denkt, denkt initial an Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen, Gewichtszunahmen und – insbesondere als Sportler:in – an Leistungsabfall und -verlust. Die thematische Verknüpfung scheint vor allem eine negativ- und schambehaftete zu sein. Doch ist die Menopause tatsächlich viel mehr als das.
Während meiner Recherche für diese Zeilen lerne ich zum Beispiel, dass es neben uns Menschen nur eine weitere Spezies gibt, die Zeit ihres Lebens die Menopause erlebt: es sind einige wenige Walarten. Wale gelten als äußerst feinfühlige Tiere, die in der Lage sind, große Generationen & Familienbanden zu bilden – evolutionär gesehen bildet dies eine extrem spannende Analogie zu uns Menschen mit Uterus.

Was bedeutet die Menopause wirklich für uns?
Ist die Menopause also zunächst als ein Geschenk der Natur, das uns Frauen ein Leben nach unserer reproduktionsfähigen Lebensspanne ermöglicht, zu betrachten? In jedem Fall bietet sie uns die Chance, stabile Familien zu gründen, bestehend aus Großeltern und Urgroßeltern und uns eine Basis zu schaffen für ein langes Leben, weit über unseren ursprünglichen „Existenzsinn“ der Fortpflanzung hinaus. Dieses Phänomen gibt es nicht mal unter den uns so nah verwandten Menschenaffen. Läutet die Menopause also vielleicht einfach eine neue Lebensphase ein, die dankbar angenommen werden darf und die wiederum auch, ihren ganz eigenen, neuen Sinn haben darf? Und wäre es dann nicht an der Zeit, sie auch als solche anzunehmen und zu verstehen?
Meine (ungewöhnliche) Menopause & ich.
Es mag verwunderlich sein, dass ich als noch junge Frau mit meinen 31 Jahren über dieses Thema schreibe und mich so sehr damit befasse. Dass ich mich dafür einsetze, dass die Menopause präsenter und enttabuisiert wird, sodass Betroffenen mehr geholfen werden kann. Doch so wie wir alle, habe auch ich hier meine ganz eigene Geschichte:
Der lange Weg hin zu einer befreienden Diagnose
Als das „Premature Ovarian Failure Syndrome“ bei mir diagnostiziert und somit ein vorzeitiger Beginn meiner Menopause festgestellt wurde, war ich gerade mal 21 Jahre alt. Was im Folgenden entscheidende Auswirkungen auf mein Leben als Frau und Sportlerin haben wird, fühlt sich für mich im ersten Moment jedoch zunächst noch wie eine Befreiung an. Eine Befreiung davon, mit all meinen ungeklärten Symptomen, die mich seit Jahren so belastet haben, nicht mehr „allein“ zu sein, sondern endlich eine Begründung für diese zu haben. Nach einer langen Suche nach dem Warum, unzähligen Untersuchungen, Selbstzweifeln, psychischen und physischen Belastungen, sowie Odysseen aus Medikamenten, Antidepressiva und diverser Hormonsubstitutionen wusste ich durch die Diagnose endlich, was los war.
Ich litt zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelang unter den Folgen der unerkannten, vorzeitig beginnenden Menopause: Amenorrhoe, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen, Gewichtszunahmen, Wassereinlagerungen, Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, Hitzewallungen und Schlafstörungen. Eine lange Zeit wurden diese Symptome von einer Anorexia nervosa, der Magersucht, unter der ich lange litt, überlagert und nicht als eigenständiges Problem erkannt. Weder von mir – noch von den damaligen Ärzt:innen.

Das Premature Ovarian Failure Syndrome betrifft etwa 1% aller Frauen. Bei ihnen versiegt die ovarielle Funktionsfähigkeit sowie die Eizellreserve bereits Jahre vor dem physiologischen Beginn der Menopause. Dies kann bereits Frauen in den Dreißigern – oder wie bei mir, sie schon vor und in den Zwanzigern, treffen. Die Gründe der Erkrankung können hier genetisch oder autoimmun bedingt sein, Folgen einer Chemotherapie bilden oder weiteren Faktoren unterliegen. Oftmals bleiben sie jedoch ungeklärt. So auch in meinem Fall.
Vom Lichtblick in meiner Odyssee – dem Radfahren…
Durch die Magersucht, unter der ich zwischen meinem 13. und 18. Lebensjahr in ihrer akuten Phase litt, befand sich mein Körper ohnehin schon in einem jahrelangen Mangelzustand. Ich arbeitete tagtäglich gegen ihn und zerrte ihn aus. Ließ mich weder Mensch noch Frau mit Leib & Seele sein. Es ist letztlich vor allem das Radfahren, das mich aus diesem Strudel aus Selbstzerstörung gerettet hat. Es ist das Fließen, dieses im Flow sein, dieses mit mir eins sein können, das mir so gut tut, wenn all die bösen Stimmen meiner psychischen Erkrankung wiederkommen. Es bedeutet für mich, voll und ganz ich selbst zu sein zu dürfen: mit dem, was ich bin und im tiefsten Inneren und mit Herz und Seele sein möchte. Ich habe erst hier und in meiner Liebe zur Langdistanz lernen dürfen, was es heißt, sich wieder gut um mich und meinen Körper, zu kümmern.

…& den unvermeidbaren Folgen dieser.
Trotz der Liebe zum Radfahren und einem mittlerweile stabilen Mindset, was die Magersucht anging, war ich zu lange in einem Mangelzustand gewesen, von dem mein Körper sich nun nur langsam wieder erholte und die Ursachenforschung und Diagnosestellung des Syndroms so schwierig machte. Dies blieb für mich nicht ohne Konsequenzen:
So entwickelte ich bspw. eine Osteoporose der Lendenwirbelsäule sowie ebenfalls eine Osteopenie [Anmerkung der Redaktion: Minderung der Knochendichte] meiner Oberschenkelhalsknochen. Die Osteoporose bildet eine der Hauptrisikofaktoren der Menopause, denn Östrogen und Progesteron sind entscheidend an einem gesunden Knochenstoffwechsel und einem Gleichgewicht aus Knochenaufbau sowie -abbau beteiligt. Insbesondere der Hormonspiegel in unseren jungen Jahre ist hier entscheidend.

Für einen bewegungsliebenden Menschen mit einem unglaublichen Freiheitsdrang wie mich war diese Diagnose ein totaler Schock. Nicht zu wissen, wie lange meine Wirbelsäule allen Belastungen standhalten würde, war zunächst schier unglaublich zu verstehen und zu ertragen.
Als Sport- und Reiseliebende, Freiheitsmensch und Kreativkopf brauche ich das Unterwegs- und Draußensein, um mental gesund und stark zu bleiben. Und so powerte ich zunächst wie gewohnt weiter.
Solange, bis mir eine Ermüdungsfraktur des Mittelfußknochen während eines kurzen Trainingslaufs die Tragweite der Osteoporose erst so richtig bewusst machte. An diesem Punkt legte ich zum ersten Mal eine meiner großen Leidenschaften im Ultrasport (das Trailrunning) zunächst ad acta, meiner selbst zuliebe.
Wie ich lernte, mit der Diagnose Menopause zu leben.
Es brauchte einige Zeit, bis ich die Diagnose der vorzeitigen Menopause mit all ihren Folgen wirklich als Einladung annehmen konnte, mich selbst & meinen Körper besser kennenzulernen und ihn endlich auch so anzunehmen, wie er ist. Mit all seinen Stärken, Schwächen, seinen Rundungen, Ecken, Narben und auch Kanten.
Was zunächst am meisten erschüttert wurde, war mein Bild von mir, meinem Gefühl dafür, was es heißt, Frau zu sein. Ich stellte mir plötzlich andere Fragen und wachte – insbesondere bezogen auf meine Magersucht – wieder auf. Ich begann, mich nicht mehr so weit über meine Grenzen hinaus ins Extreme zu pushen, veränderte meinen Berufsweg, stellte mir neue Ziele. Ich verlor viele Dinge, doch gewann auch neue hinzu. Und so ging ich weiter meinen eigenen Weg, der nun eben anders aussah, als vorher vielleicht gedacht.
Meine diversen Ausbildungen als Tierärztin, Coach sowie Yogalehrerin stützen mich hier enorm. Ich vereine alle Komponenten aus diesen Gebieten darin, um einen Weg zu finden, meinem Körper etwas Gutes zu tun und ihn nachhaltig gesund zu halten – bewusster als je zuvor.
Neben einer grundsätzlich nachhaltigen und ausgeglichenen Lebensweise ist meine Hormonersatztherapie, also die Substitution der Hormone Östrogen und Progesteron, jedoch der grundlegende Faktor, der dafür sorgt, dass ich hormonell gut versorgt bin, damit das Risiko der Langzeitfolgen der zu früh bestehenden Menopause verringert wird. Zu diesen Risiken zählen insbesondere die Osteoporose sowie auch die Entwicklung einer Demenz und Herz-Kreislauf & Gefäßerkrankungen. Diese Substitution hat mich nach und nach wieder als Mensch & auch als Frau fühlen lassen. Langsam kehrte ich zu mir selbst zurück.

Reminder an die Selbstachtsamkeit & -akzeptanz
Bezogen auf meine Liebe zur Langdistanz erinnern meine jährlichen Kontrollen der Knochendichte mich immer wieder daran, meinen Körper nicht mehr so stark wie in den Zeiten der akuten Essstörung durch den Ausdauersport auszuzerren. Was ich früher bis in den Exzess betrieben habe, gehe ich nun bewusster und achtsamer an. Ich habe gelernt, mit meiner Energie zu haushalten und mir auch ausreichend Regenerationsphasen einzugestehen. Zusätzlich versorge ich mich mit allen wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen, insbesondere den Vitaminen D3, K2 und B12, sowie Zink, Magnesium und Calcium.
Meine tägliche Yogapraxis sowie mein Krafttraining bilden den Ausgleich zum oftmals eher sehr fordernden Ausdauersport. Beide Komponenten sind entscheidend daran beteiligt, einen weiteren Abbau meiner Knochendichte aufzuhalten. Zusätzlich bringt meine Yogapraxis mich immer wieder in meine Ruhe und zu mir selbst zurück und lehrt mich ebenso, wieder mehr in meinen Körper hinein zu fühlen. Eine Tatsache, die ich über Jahre hinweg erst wieder lernen musste und die mir heute manchmal noch schwer fallen kann.
Zusätzlich ist meine Ernährung heute bunt – pflanzlich basiert, reich an Ballaststoffen, vielfältig, und vor allem eines: frei. Frei von Dogmen, frei von Zwängen und frei von Mangel. Mein Körper sagt mir, was er wirklich braucht – und bekommt es heute auch.
Mut machen – Frau zu sein, mit Leib & Seele.
Ich möchte allen Frauen dort draußen mit meiner Geschichte Mut machen. Mut machen, für sich und den eigenen Körper einzustehen, Veränderungen an sich wahrzunehmen, Symptome als solche zu erkennen, sich Hilfe zu holen, wenn es vonnöten ist und vor allem: nicht gegen sich und den Körper zu arbeiten.
Mir ist es wichtig, meine Geschichte zu teilen! Denn obwohl wir uns als Frauen doch immerhin im Durchschnitt ein Drittel unserer Lebenszeit in der Zeit der vermeintlich „kritischen Jahre“, wie die Menopause auch genannt wird, bewegen, ist vieles von ihrer Symptomatik und deren Folgen einfach noch nicht präsent und akzeptiert genug.
Es lohnt sich, zu erkennen, dass wir Frauen sind und sein dürfen, mit Leib & Seele. Dass es eine einzigartige Gabe unserer Natur ist, selbst Leben schenken zu dürfen, um Mütter als auch Großmütter und sogar Urgroßmütter zu werden. All dies erleben zu dürfen ist nicht nur Teil unseres Zyklus, sondern eben auch einzigartig und dennoch nicht selbstverständlich.

Mein Reminder & die Herzensbotschaft
Meine frühzeitige Menopause hat mir gezeigt, worauf es im Leben wirklich ankommt. Diese Erfahrung ist mit all ihren Folgen mein täglicher persönlicher Reminder, der mich immer wieder an einen achtsamen Umgang mit mir selbst, sowohl als Frau als auch als Sportlerin, erinnert.
Die hormonellen Schwankungen der Prä- und Perimenopause, die bereits viele Jahre vor der eigentlichen Menopause beginnen können, bringen psychische und physische Veränderungen in Gang, die initial leider oftmals nicht als Symptome dieser Phasen erkannt werden. Dieses Nicht-Erkennen jener Zusammenhänge kann schwerwiegende Folgen haben und zu steigenden psychischen und auch körperlichen Leiden der Betroffenen führen.
Je mehr wir also über diese Themen sprechen, desto mehr Aufklärung, Prophylaxe und Sensibilisierung können wir schaffen und desto mehr können Betroffene lernen, ihre Symptome frühzeitig zu erkennen, zu verstehen, anzunehmen, um mit ihnen umgehen und gut leben zu können.
Ich möchte Dir also Mut machen, Deinen Körper jederzeit wertzuschätzen, gut für Dich zu sorgen und dafür einzustehen, wenn Du fühlst, dass etwas gerade nicht ist, wie es sein sollte. Hör hin und fühl in Dich hinein und trau Dich, Dir genau das zu geben, was Du gerade brauchst. Dein Körper wird es Dir von Herzen danken.
Und somit ist jede:r einzigartig. Jede:r Einzelne von uns – auf die eigene Art & Weise. Ohne Ideal, das erfüllt werden müsste. Und ohne Mangel, für den es zu kämpfen lohnen würde.
Danke für deine offenen und wichtigen Worte, liebe Leona!
Edit: Wiebke Lühmann/ Sandra Schuberth
Layout/ Website: Juliane Schumacher
Fotos: Leona Kringe/ Nicole Stegmann