ALL RIDE with?
Wir vom “The Women All Ride” – Kollektiv wollen die Fahrradwelt in all ihrer Vielfalt abbilden. Daher haben wir die Kategorie: ALL RIDE WITH… initiiert! Jeden Monat stellen wir hier eine einzigartige Persönlichkeit vor: Eine Person, die uns aufgefallen ist durch ihre Präsenz, ihr Aufteten, ihre sportlichen Leistungen oder dank ihrer Fähigkeit zu inspirieren und motivieren. Jede:r ist anders und einzigartig.
In Form eines Interviews können sich die vorgestellten Personen aus mehreren Fragen ihre bevorzugten auswählen und diese beantworten – oder, wie hier im Falle von Sara, alle Fragen beantworten.
Dir fällt da auch sofort jemand ein? Dann schreibe uns eine Nachricht! Wir freuen uns über Vorschläge und können es kaum erwarten noch mehr inspirierende Persönlichkeiten kennenzulernen!
ALL RIDE WITH Sara Hallbauer
Sara Hallbauer, 41, lebt südlich von München. Sie fährt gern schnell von A nach B und ist so zum Beispiel 2021 vom Gardasee zum Nordkap geradelt – im Schnitt 270 km pro Tag.
Wo kommst du her?
89584 Ehingen, das liegt in der Nähe von Ulm am Fuße der schwäbischen Alb

Ein paar Worte zu dir/ über dich:
Unter meinem Motto “Raus dem Windschatten und rein ins Abenteuer” berichte ich auf bikepackers.de von meinen Touren.
Im April letzten Jahres habe ich mich selbstständig gemacht und leite nun die Marketingabteilung in einem Familienbetrieb und berate KMUs bzgl. Einstieg in den e-com und Content Marketing.
Wir treffen dich auf dem Rad an – wozu, wohin, worauf?
Ihr trefft mich entweder auf meinem Enduance Renner, Gravel- oder Bikepacking Rad. Je nach Untergrund und Ziel nehme ich das ein oder andere Radl her, um am allerliebsten so schnell wie möglich eine Strecke von A nach B zu fahren. Ich nehme an verschiedenen Radl-Events teil, Brevets und Langdistanzrennen sind meine Welt.
Deine Pronomen
Sie / ihr
12 Fragen an Sara Hallbauer
1. Wie bist du zum Radfahren/Radsport gekommen?
Ich fahre eigentlich erst seit vier Jahren sehr viel Rad – das hat damit zu tun, dass ich mir nach einem Skitouren Unfall den Knöchel gebrochen hatte und ich dann 6 Monate wirklich nichts anders tun durfte außer Rad Fahren. Ich hatte mir deshalb auch eine smarte Rolle gekauft, damit ich wieder langsam mit Sport anfangen konnte. Außerdem hatten mein Mann Axel und ich den großen Traum die Great Divide Mountain Bike Route zu fahren. Dafür hab ich auch trainiert, nur leider ist wegen Corona nichts daraus geworden – obwohl wir Flugtickets, Karten, Räder etc. schon gekauft haben. So ist damals auch mein Blog Bikepackers.de entstanden.
2. WER INSPIRIERT DICH AUF DEM RAD?
Kristina Vogel, die deutsche Bahnradfahrerin. Sie hatte einen schweren Unfall und ist seither im Rollstuhl. Ich bewundere ihre Power, ihren Optimismus und ihren Humor sehr und vor allem, dass sie sehr offen mit ihrem Schicksal umgeht und andere Leute an ihrem Schicksal teilhaben lässt. Das macht bestimmt anderen Leuten sehr viel Mut (auch mir) sie ist “immer noch sie – nur anders” (so steht es in ihrer Biografie).
3. Was reizt dich daran, an Ultracycling Rennen/Events teilzunehmen?
Ich liebe es das beste aus mir herauszuholen und so schnell wie möglich von A nach B zu fahren. Im Rennen bin ich vollkommen fokussiert auf dieses eine Ziel und vergesse alles um mich herum. Für den Moment des Rennes bin ich in einer anderen Welt. Ich fahre alleine, in meinem Rhythmus, mit meiner Musik und bin ganz bei mir. Dabei geht es mir überhaupt nicht darum, besser als die anderen zu sein, sondern lediglich “besser” als beim letzten Mal zu sein bzw. ein mir gestecktes Ziel zu erreichen.
4. Was war deine krasseste Erfahrung beim Radfahren?
Meine krassesten Erfahrungen im Sinne von “nicht so toll”:
- bei einem 600er Brevet von Paris nach Freiburg bin ich nachts entlang eines Kanals gefahren, hatte eine Kollision mit einer Horde Bisamratten, bin kopfüber die Böschung runter und mitsamt dem Rad in den Kanal geflogen. Gott sei Dank ist nichts passiert, ein paar Brevet Kollegen haben mich rausgefischt und ich konnte das Brevet trotzdem patsch nass finishen.
- Beim Northcape4000 in Polen hat mich eine Bande wilder Hunde mit gefletschten Zähnen verfolgt, die sich auch nach mehreren Sprints nicht abschüttelt lassen wollten. Erst als ich sie voll angebrüllt hab, sind sie stehen geblieben und haben mich ziehen lassen.
- 2 Grad und Eisregen am Teide, dem höchsten Berg Spaniens – ich hab noch nie so gefroren wie beim Granguanche Audax Road auf Teneriffa.
Krass im Sinne von “unfassbar”:
- Beim Northcape hat mir ein Teilnehmer seine Reifenheber hinterlegt, meine waren abgebrochen. Ein Motorradfahrer ist losgezogen um mir 500 km vor dem Nordkap einen Rennrad- Mantel zu besorgen (Da oben gibt es keine Radgeschäfts mehr) und hat das auch geschafft.
5. Auf deiner Fahrt zum Nordkap 2021 hattest du Sitzbeschwerden. Welche Tipps hast du, damit umzugehen? Was sollte besser vermieden werden?
Auf jeden Fall genug Sitzcreme mitnehmen und von Tag 1 an ordentlich einschmieren. Nicht nur Sitzcreme sondern auch Wundheilsalbe mitnehmen. Außerdem auf Körperhygiene achten und Wunden desinfizieren und die Hose immer auswaschen bzw. wechseln. Letztendlich können Sitzbeschwerden nicht verhindert werden, deshalb am besten schonmal mental darauf einstellen, dass es bei ultra-Distanzen weh tun wird.

6. DEIN ICH VON DAMALS STARTET ZUR ERSTEN FAHRRAD-TOUR - WAS GIBST DU DIR MIT AUF DEN WEG?
Gar nichts, einfach fahren und ausprobieren. Man merkt dann schon, was einem gefällt, ob man lieber Gravel oder Straße mag, welche Ausrüstung einem am besten taugt, was noch fehlt, wie oft man Pause machen muss. Je mehr man fährt desto mehr traut man sich zu und auch Strecken von denen man anfangs dachte, dass sie nicht zu schaffen sind, gehen dann doch. In der heutigen Welt wollen tausend Experten einem weiß machen, wie Radfahren zu funktionieren hat und machen eine Wissenschaft daraus – dabei kann halt einfach JEDER und JEDE Radfahren, da braucht man auch kein teures Bike und keine teure Ausrüstung. Du hast nichts zu verlieren, fahr einfach!
7. WAS WAR DEIN GRÖSSTER FAIL UND/ODER DEIN GRÖSSTES LEARNING?
Meine größten Learnings:
- Da ist immer viel mehr drin, als ich mir selber zugetraut hab.
- Auch wenn Du alleine fährst, du bist niemals alleine – denn es gibt so viele liebe Menschen auf der Welt, die sich riesig freuen, wenn sie Dir weiterhelfen können. Du brauchts also keine Angst davor zu haben, dass Du da stehst und es keinen Plan B gibt.
- Manchmal läuft es gerade bei Ultra Distanzen einfach ziemlich mies – aber bevor Du aufgibst mach lieber eine Pause, ess was und schlaf nochmal drüber – Danach sieht die Welt wieder ganz anders aus und es kann weitergehen. Es geht ja auch darum die Ausdauer und Beharrlichkeit zu trainieren, also gib nicht auf (zumindest nicht sofort ;-)).
- Am Berg niemals an den Gipfel denken, sondern immer nur an die nächst mögliche kleinste Anstrengung und das ist ein einziger Tritt in das Pedal, und dann der nächste und der nächste…..
Also ich hatte eigentlich keinen richtigen Fail bisher – außer dass ich beim Northcape4000 keinen Ersatzmantel dabei hatte, aber 500 km vor dem Ziel einen gebraucht hätte. Aber auch das Problem konnte gelöst werden, siehe wichtigstes Erlebnis auf dem Rad.
8. Was war dein wichtigstes Erlebnis auf dem Fahrrad?
- Mein erster 300er – da hab ich sehr viel Selbstvertrauen gewonnen und gemerkt, dass da noch mehr geht.
- 500 km vor dem Nordkap hatte ich einen kaputten Mantel. An der Tankstelle habe ich einen Motorradfahrer getroffen, der nicht glauben konnte dass ich im Schnitt 270 km am Tag fahre. Das hat ihn motiviert los zu fahren und mir einen Mantel zu besorgen (da oben gibt es ja keine Fahrradgeschäfte mehr). Er hat zwei andere Radler getroffen, einer hat den Mantel verkauft. Dann hat er zwei andere Motorradfahrer gefragt ob sie mir den Mantel vorbei fahren könnten. Das haben die dann auch gemacht. Ich war so unendlich dankbar und so froh – die Geschichte ist deshalb wichtig, da sie mich darin bestätigt, dass es halt doch immer gut ausgeht 🙂

9. Was ist dein nächstes großes Ziel?
Das bleibt eine Überraschung, ich mag es ja nicht so, große Abenteuer groß und überall anzuteasen.
10. Bei welchem Event treffen wir dich als nächstes?
Im Mai fahre ich die Voralpenrundfahrt, ein 400-Kilometer-Brevet von Ara Muc.
11. WAS IST DEINE ZUKUNFTSVISION FÜR DIE FAHRRADBRANCHE/-SZENE?
Eine ausgeglichene Berichterstattung, die alle Geschlechter in einem ausgewogenen Verhältnis zeigt und Frauen mittels Bildsprache nicht in eine schwächere Rolle hineinzwängt. Ein Sport für alle. Zu häufig findet man in den Feeds der Hersteller und Händler einen Überhang an Bildern, in denen Männer abgebildet sind und Männer in einer Rolle, die Frauen erklären wie es geht und wo es lang geht. Das muss sich ändern und umgedreht bzw. ausgeglichen werden. Firmen müssen bei ihren Shootings und in der Auswahl ihrer Marketing-Kampagnen und Inhalte darauf achten. Da ist JEDER mit seiner Unternehmenswebsite / Kanälen in der Verantwortung, dieses Thema proaktiv zu gestalten.
12. Deine Message an die Fahrradindustrie:
Aufwachen, mitmachen und Verantwortung übernehmen! Diversität proaktiv gestalten und einen Aktionsplan entwickeln, nicht nur tönen und dann nicht liefern!

Quick Questions
Radfahren/ Radsport ist für mich?
Das, was für andere Yoga ist. Im immergleichen Pedaltritt finde ich meine Ruhe, bin komplett bei mir und kann am besten abschalten.
Mit dieser Person möchte ich sehr gern mal fahren…
Gern mal kennenlernen: Kristina Vogel
Dein größter Traum?
Great Divide Mountain Bike Route
Dein bester Lifehack fürs Radfahren?
EnergieRiegel schon vorschnippeln und Wahoo Timer setzen, damit man regelmäßig an das Essen und trinken erinnert wird.
Dein Lieblings-Snack?
Seitenbacher Energie Bombe
Was darf bei dir auf keiner Tour fehlen?
Meine Daunenjacke. Bin schon so oft halb erfroren. Und ohne meine Soundcloud Playlist geht bei mir auch nichts.
Vielen Dank an Sara für das Interview und die Antworten!
Und falls du mehr von Sara Hallbauer erfahren möchtest, schau doch mal rüber auf ihren Blog Bikepackers.de
Redaktion: Sandra Schuberth
Lektorat: Sandra Schuberth
Layout/ Edit: Sandra Schuberth
Header Foto: Axel Hallbauer